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  Herbert A. Meyer

Meyer, H.A. (1994). Je elaborierter die Vorerfahrung, desto besser die Erinnerung. Kann es auch genau umgekehrt sein? Vortrag auf der 36. Tagung experimentell arbeitender Psychologen, Ludwig-Maximilians-Universität, München.

  • Zusammenfassung

    Befunde aus den Archiven der traditionellen Gedächtnisforschung machen diese Frage zu einer rhetorischen. Experimentelle Ergebnisse legen nämlich den Schluß nahe, daß die Erinnerungsleistung nicht nur von der Art der Vorerfahrung abhängig ist, sondern auch von der Art des Behaltenstests. Sowohl Tulvings "Prinzip der Enkodierspezifität" als auch der "Ansatz zum aufgabenangemessenen Transfer" der Vanderbilt-Gruppe berücksichtigen diesen Sachverhalt und gehen grundsätzlich davon aus, daß sich Gedächtnisleistungen aus dem Zusammenspiel von Enkodier- und Retrievalsituation ergeben. Auch die Befunde, die im Rahmen der jüngst etablierten impliziten Gedächtnis-Forschung erarbeitet wurden, lassen sich fast durchgängig mit den genannten Ansätzen beschreiben. Als aufschlußreiches Beispiel für die systematische Interaktion von Enkodier- und Retrievalbedingungen sei die Spezifität impliziter Erfahrungsnachwirkungen genannt. Indirekt registrierte Nachwirkungen nivellieren sich, wenn zwischen Lern- und Prüfphase die Sinnesmodalität der Darbietung geändert wird.

    Die eigenen experimentellen Studien konzentrieren sich auf einen vielfach replizierten Befund der impliziten Gedächtnis-Forschung. Dieser zeigt an, daß die Ausprägung indirekt registrierter Nachwirkungen unabhängig davon ist, ob in der Studierphase eine mehr oder weniger elaborierte Verarbeitung isoliert dargebotener Wörter stattfindet (Jacoby & Dallas, 1981, Expt. 1). Wird ein exemplartheoretischer Standpunkt eingenommen und nicht davon ausgegangen, daß eine weniger elaborierte Verarbeitung Bestandteil einer mehr elaborierten ist, spricht dieser Befund gegen die Gültigkeit des interaktiven Verhältnisses von Enkodierung und Retrieval. Um einen interaktiven und exemplartheoretischen Ansatz beizubehalten, wird geprüft, ob die auf der Beobachtungsebene identischen Effekte möglicherweise durch verschiedene kognitive Vorgänge hervorgerufen werden. Mit einem indirekten Prüfverfahren zur perzeptiven Identifizierung konnte das bekannte Befundmuster zunächst auch in der akustischen Domäne zuverlässig nachgewiesen werden. Wurde die Prüfphase jedoch unter Bedingungen geteilter Aufmerksamkeit durchgeführt, zeigte sich der geforderte differentielle Einfluß verschiedener Vorerfahrung - weniger elaborierte Vorerfahrung war bei dem gewählten Prüfverfahren der mehr elaborierten Vorerfahrung deutlich überlegen. In anschließenden Untersuchungen wird zur Zeit geprüft, ob sich dieses in Widerspruch zur Tradition der impliziten Gedächtnis-Forschung stehende Ergebnis unter modifizierten Bedingungen erneut nachweisen läßt. Die Ergebnisse dieser Studien werden berichtet und diskutiert.

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